clef, grades, love-1439137.jpg

Improvisieren aber frei!

Improvisation macht Spass oder wie erfinde ich eine Melodie?

Sing mal spontan eine Melodie...

Wenn ich dir jetzt sagen würde: singe doch einfach mal eine Melodie. Würdest du das spontan machen? Welche Melodie? Einfach eine, die dir in den Sinn kommt – jetzt – spontan. Vielleicht eine, die du kennst (so was nennt man dann auch Ohrwurm – eine die sich im Kopf verfängt und nicht mehr rausgeht, wenn man einmal dran denkt oder sie gehört hat). Nein, aber das meine ich nicht. Was denkst du, wie viele Menschen in Deutschland sind fähig, ohne Schock, ohne Blockade im Kopf und ohne Hemmungen einfach spontan eine Melodie aus dem Stand zu erfinden und die in Fantasiesprache vor sich hin zu trällern? Ich schätze mal nicht so viele.

Woran das wohl liegt, habe ich mich gefragt. Vermutlich daran, dass viele Menschen sich genieren einfach mal so drauf los zu singen. Außerdem denken viele sofort, dass es auch gut, schön oder perfekt sein soll. Schon sehr früh werden wir schließlich darauf hingewiesen, uns eher still zu verhalten und nicht laut zu reden oder womöglich zu singen! In meinen Workshops zum Thema Ausdruck und Stimme habe ich das oft erlebt: es reicht eine Musiklehrerin, eine Freundin oder eine Mutter, der nicht gefällt, wie wir singen und schon haben wir die Blockade. Manchmal ein Leben lang. Das ist sehr schade! Aber es ist zu ändern! Wie? Zum Beispiel, indem du dir vornimmst, jeden Tag eine kurze Melodie zu erfinden, einfach aus einer bestimmten Stimmung heraus. Probier´s mal, das macht Spass!

So ist beispielsweise der Blues entstanden: Menschen bei der Arbeit auf dem Feld, die ihrer Stimmung mittels Stimme Ausdruck verleihen. Und weil es gerade Laune macht und eine ganze Gruppe auf dem Feld ist, antwortet erst einer, dann ein anderer und schwups haben wir das sogenannte Call-Response-Prinzip und eine Gruppe von Arbeitern, denen es mit Musik gleich besser geht. Vor allem auch, weil sie es gemeinsam machen können und miteinander schwingen, ihre Sorgen und Freuden teilen können.

Freie Improvisation mit Stimme

Bei der Freien Improvisation in der Musik um die es hier in diesem Artikel gehen soll, ist nichts vorgegeben. Keine Struktur, keine Tonart, kein Rhythmus. Alles entsteht aus dem Moment heraus. Es ist nicht wie bei der Improvisation im Jazz, wo man sich innerhalb einer bestimmten Struktur und innerhalb eines festen harmonischen Gefüges bewegt – was natürlich auch viel Freude macht. Nein, ich meine Musik machen ohne Vorgaben. 

Ich kann das alleine machen – mit mir selbst sozusagen – oder mit anderen. Das Zusammenspiel mit anderen kann sehr spannend sein: es ist eine besondere Art der Kommunikation und man kann sehr viel dabei über sich selbst lernen. Beispielsweise kann einer anfangen und sozusagen die Führung übernehmen und der andere reagiert, nimmt die Idee, die Stimmung, die Art und Weise des Gegenübers auf, unterstützt, umschmeichelt… Irgendwann ändern sich die Rollen und jetzt kommt es darauf an, dass der andere reagiert, den Ball aufnimmt. 

Was helfen kann um anzufangen

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sehr sehr unterschiedlich sein kann, je nachdem in welchem Zustand man selbst ist und wie gut man mit der Dynamik des anderen umgehen kann. Hier konnte ich gut lernen, Erwartungen loszulassen, Disharmonien auszuhalten, Tendenzen bei sich selbst zu erkennen (beispielsweise wenn man glaubt, man müsse immer etwas tun, dann fehlt die Ruhe). Und es kamen wirklich spannende Stücke dabei heraus. Ich hatte mal eine Duo mit der Saxophonistin Sandra Krömer und wir haben öfter auf Vernissagen gespielt. Da war die einzige Vorgabe das Thema der Ausstellung und die Bilder. So hatten wir einen Ausgangsimpuls, den wir in Gefühlen und Klang verarbeiten konnten. Das hat mir gut gefallen!

Eine andere Idee war vor Jahren eine Ausschreibung in Berlin-Schöneberg: Man sollte etwas komponieren für ein Event in  der Crelle-Strasse. Dies ist eine schöne Strasse in Berlin und ich habe früher um die Ecke gewohnt. Die Idee war: man biegt vom Kaiser-Wilhelm-Platz in die Crellestrasse ein und lässt auf sich wirken, was man sieht, riecht, erfährt…Das wird dann vertont in welcher Form auch immer. Das war eine schöne Idee, auch um einen Ausgangspunkt zu haben, wie man anfangen kann und was man weiter machen kann – sozusagen auf dem Weg.

Häufig fällt es nämlich schwer,  überhaupt anzufangen. Da hilft dann oft ein Thema, ein Gefühl, eine Farbe, ein Bild – was auch immer. Probier es mal aus und schreibe mir, wie es dir dabei ergangen ist. Das wichtigste ist: nicht bewerten! Sofern du darüber nachdenkst, ob das, was du gerade machst gut oder schlecht klingt, oder wie andere das finden könnten, schiebt sich sofort eine Blockade in den Fluss der Dinge, die aus dir heraus tönen wollen. Beherzige also folgende Absicht, wenn du frei improvisieren willst: Alles ist offen und kann sich wertfrei entwickeln.

Meist fangen wir ja spontan an zu singen, wenn wir uns wohl fühlen. Wenn wir mit Freude erfüllt sind oder mir geht es oft so, wenn ich ganz weit schauen kann – am Meer zum Beispiel. Dann bin ich inspiriert! Manchmal auch wenn ich traurig bin. Wie ist das bei dir? Schreib es gerne in die Kommentare.

 

Der singende Kater

Kennst du die Geschichten von Sven Nordqvist um Petterson und Findus?

Petterson ist eine alter, oft schlecht gelaunter Mann, der mit seinem Kater Findus in Schweden lebt und gerne angeln geht. Im Buch „Armer Petterson“ wird das, wovon ich gerade erzählt habe, so wunderbar dargestellt: Petterson ist schlecht gelaunt und der Kater versucht ihn aufzumuntern. Hier ein kleiner Auszug:

„Es war Herbst. Der alte Petterson saß am Küchentisch und trank seinen Vormittagskaffee. Er sass ganz still und schaute hinaus in das trübe Wetter und war kein bisschen froh. Der Kater Findus war umso munterer. (…) Sitz still! Fauchte Petterson. Dann seufzte er tief. Puh, was für ein Tag. Heute bin ich richtig schlechter Laune. Ich habe zu überhaupt nichts Lust. (…) Der Kater setzte sich anständig auf seinen Stuhl und benahm sich. Aber schon nach einer kurzen Weile bewegte sich sein Körper ganz von selbst und er hörte in sich drin eine Melodie, die unbedingt gesungen werden wollte, und er sang so leise, wie er konnte wieder und wieder, während er langsam an der Stuhllehne herunter rutschte, bis er schließlich mit dem Rücken auf dem Sitz lag.“

Der Stuhl fällt um und alles was er tut, macht so richtig Krach. Petterson ist natürlich noch mehr genervt und so geht es weiter und weiter… Ich erwähne diese Geschichte deshalb, weil mir die Formulierung mit der „Melodie, die unbedingt gesungen werden wollte“ so schön fand und die Situation auch so eindrücklich zeigt, dass es dann am leichtesten aus uns herausquillt, wenn wir uns lebendig fühlen. Nicht immer einfach in einer Zeit, wo alles funktional zu sein hat, schnell gehen muss, wir den Leistungsdruck im Nacken spüren oder einfach verzagt und nicht gut drauf sind. 

Die Idee der Seelenmelodie

Die Idee eine Seelenmelodie für jemand anderen zu schaffen ist auch aus der Idee heraus entstanden, andere aufzumuntern. Findus überzeugt Petterson schließlich gemeinsam angeln zu gehen, weil er genau weiß, dass Angeln die beste Medizin für Pettersons schlechte Laune ist. Als sie vom Angeln zurück kommen, geht es Petterson besser.

Meine Aufgabe wäre sozusagen, herauszufinden, was du anstelle von Angeln brauchst und das in Töne, eine Melodie, ein kleines musikalisches Geschenk für deine Seele zu packen. Dies mache ich, indem ich dich kennenlerne, dir Fragen stelle, nachfühle was es ist, das du brauchst (anstelle von Angeln). Vielleicht ist es ein Schmerzpunkt, vielleicht eine tiefe Sehnsucht von dir, die du noch gar nicht kennst. Egal was es ist, Musik ist ein wunderbares Mittel für viele Wunden, Blockaden und Träume…die gelebt werden wollen.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert